Erklärungs-not?

Kennen Sie das: Sie versuchen, sich mit einem Freund zu etwas zu verabreden, was Ihnen eigentlich beiden Spaß macht, und es will nicht so recht gelingen? „Ich kann leider nicht zum Sport kommen, mich auf einen Kaffee treffen, …, weil ich zu viel zu tun habe, zu lang arbeiten muss, die Katze nicht alleine bleiben kann …“.

Für beide Listen finden Sie sicher Ergänzungen, sei es aus der eigenen Erfahrung oder aus Erzählungen von Bekannten. Oft als Entschuldigung gebraucht in der Meinung, die Erwartungen des Gegenübers nicht erfüllen zu können. Oder vielleicht im tiefsten Inneren gar nicht erfüllen zu wollen? Und woher weiß ich, was der/die „Andere“ wirklich von mir erwartet?  In jedem Fall eine gute Option, das schlechte Gewissen auf den Plan zu rufen und das Stressniveau zu erhöhen.

Als Empfänger einer solchen Nachricht

Wie geht es Ihnen bei wortreichen Erklärungen, warum eine Verabredung wieder einmal nicht klappt? Natürlich hat jeder Verständnis für akute Notlagen, aber bei manchen Menschen könnte man zu dem Eindruck gelangen, das dieses System Methode hat. Welche Möglichkeiten haben Sie für sich gefunden, die Freundschaft trotzdem aufrecht zu erhalten?

Manchmal ist es nicht einfach, wenn die eigenen Bedürfnisse zu häufig ins Hintertreffen geraten. Vielleicht haben Sie sogar anderen Menschen abgesagt, um diesen Termin wahrnehmen zu können? Hier kann ein rechtzeitiges(!) klärendes Gespräch mit einer klaren Ansage, dass Ihr Freund gerade ihre Gefühle verletzt, helfen – ohne Vorwürfe und mit Ich-Botschaften, die an dieser Stelle ausdrücklich erlaubt sind. Ein gutes Timing ist hilfreich, sind einer oder gar beide Gesprächspartner gestresst ist eine konstruktive Lösung eher unwahrscheinlich. Manchmal ist es auch nötig, etwas auf Distanz zu gehen – oder sich eine Zeitlang nur noch spontan zu verabreden. Und gerade bei echten Freunden lohnt sich die Mühe, einen Blick hinter die Kulissen zu werfen. Dies bedarf eines guten Maßes an Geduld und Beharrlichkeit, der Lohn dafür ist im besten Fall ein echtes gegenseitiges Verständnis.

Aber wie ist es, wenn sie das Gefühl haben, Ihr Gegenüber hat gar kein echtes Interesse an der geplanten Aktivität? Wenn Sie diesen Eindruck haben, was spricht dagegen, dieses Thema als direkte Frage zu formulieren? Als Frage, die das Ergebnis offen lässt – denn Sie wissen zu diesem Zeitpunkt noch nichts über die wahren Beweggründe, und vielleicht ist ihrem Gegenüber selbst noch nicht bewusst, dass er aus reiner Gewohnheit handelt, aber eigentlich dazu längst keine rechte Lust mehr hat. Vielleicht entstehen daraus Alternativen, die Sie beide vorher nicht gesehen haben?

Wenn die Interessen tatsächlich auseinanderlaufen – oder Sie das Gefühl haben, sie werden nur als Abladeplatz für das schlechte Gewissen eines Anderen missbraucht – verschwenden Sie zukünftig zumindest nicht mehr Zeit und Energie in Verabredungen, die dann doch nicht stattfinden.

Und wenn Sie selber sich in Erklärungsnot befinden?

STOP – bevor Sie anfangen, jemandem anders lang und breit zu erklären, warum etwas gerade nicht geht, halten Sie einen kurzen Moment inne und beantworten sich die folgenden Fragen:

  • Will ich das eigentlich wirklich machen?
  • Welche Erwartung habe ich an das Ergebnis dieser Aktion? Will ich kurzfristig Spaß haben, mich besser fühlen, oder ist das Teil eines längeren Weges hin auf ein Ziel, das mir wichtig ist?
  • Welche Erwartung hat mein Gegenüber an mich – vermutlich?
  • Welche Priorität räume ich dieser Sache ein? Und weshalb ist etwas anderes wichtiger (geworden) als zu dem Zeitpunkt, an dem wir uns verabredet haben?

Der größte Druck im Leben, auf den wir Einfluss haben, ist der, Erwartungen zu erfüllen – das, was wir meinen, wie wir sein sollen, was wir tun sollen oder was andere von uns erwarten (könnten), das wir tun. Daher ist der erste Schritt, sich Klarheit über die eigenen Bedürfnisse zu verschaffen. Welche werden befriedigt, wenn ich den ursprünglichen Plan umsetze? Und welche bleiben auf der Strecke? Was davon ist für mich wichtiger – jetzt gerade und für die Zukunft? Auf dieser Basis lässt es sich leichter nach Alternativen suchen, die tatsächlich Bestand haben. Und Ihr Gegenüber fühlt sich vermutlich deutlich mehr wertgeschätzt, wenn er die Hintergründe Ihres Handelns nachvollziehen kann. Ihre Kommunikation wird authentischer. Und wer weiß, vielleicht geht es ihm ähnlich, nur wollte er es nicht äußern, um sie nicht zu verletzen? Es soll immer wieder vorkommen, das zwei Menschen etwas „dem anderen zuliebe“ machen, was sie gar nicht möchten – und das gegenseitig über eine längeren Zeitraum…

Der andere Aspekt ist die „erwartete Erwartung“. Sind Sie sicher, was ihr Freund tatsächlich von Ihnen erwartet? Ob ihm dieser Termin wichtig ist oder eigentlich nur ein unverbindlicher Vorschlag war? Selbst wenn Sie meinen, die Antwort zu wissen – fragen Sie nach! Auch hier in wertschätzender Form und ohne ihre vorgefasste Meinung lediglich mit einem „Pseudo-Fragezeichen“ zu versehen. Lassen Sie sich überraschen, vielleicht löst sich das vermeintliche Problem ja ganz von alleine.

Fazit

„Probleme sind in Aufgaben verpackte Lösungen“ (Gaby Barg) und Situationen, in denen Sie ihr Nicht-Handeln zu begründen versuchen können ein Anlass sein, einmal genauer hinzusehen. In welcher Position Sie sich auch befinden, hilfreich ist die Klärung der eigenen und fremden wahren Bedürfnisse und Hinderungsgründe.

Der Lohn dieser Arbeit sind ein klareres Bild der eigenen Präferenzen, neue Freiheiten und mehr Authentizität. Um Eskalationen zu vermeiden, ist gegenseitige Wertschätzung eine wichtige Voraussetzung – und gegenseitig schließt auch die Selbst-Wertschätzung mit ein. Unterstützend sind Erfahrungen in entsprechenden Kommunikationsmethoden, sei es der gewaltfreien Kommunikation nach M. Rosenberg, der Kommunikation nach den Wandlungsphasen oder der von Friedemann Schulz von Thun beschriebenen Modelle.

Wenn Sie das Gefühl haben, Unterstützung zu benötigen, scheuen Sie sich nicht sich diese zu holen, sei es im Vorfeld oder bei einem Gespräch zu dritt – sofern beide Parteien mit letzterer Lösung einverstanden sind.